Männer, Midlife und Comedy: Wie ein Kabarettist die Lebensmitte sieht

Mann an der E-Gitarre

Zweite Pubertät – so wird die Lebensmitte auch gerne mit einem Augenzwinkern genannt. Joachim Zdzieblo spricht mit dem Rock-Kabarettisten Bewie Bauer, der dieses Thema in sein Bühnenprogramm aufgenommen hat. Ein launiger und dennoch tiefgründiger Austausch über Herausforderungen der Lebensmitte, die Nierenspende an seinen Bruder Franz und das Jonglieren von zwei Berufen.

Bewie, Du hast das 49. Lebensjahr abgeschlossen und die 50 fest im Blick.

Ja, genau. In einem Jahr werde ich 50. So der Plan.

Das heißt, Du bist ziemlich genau mittendrin, was man Lebensmitte nennt, nämlich zwischen 40 und 60. Was nimmst Du an Dir wahr, ist anders als noch vor 20 Jahren.

Gut, jetzt kommt wahrscheinlich das, was jeder sagt, wenn er in dem Alter ist. Die körperlichen Leiden gehen los. Sei es im Rücken oder man merkt halt vor allen Dingen – ich sage nur Stichwort Gleitsichtbrille – dass die Augen nachlassen. Mit den Haaren habe ich noch Glück, sowohl mit der Farbe als auch mit der Menge. Das passt noch. Das ist nicht bei allen meinen Geschwistern so.

Das sind so die Dinge, wenn ich jetzt zurückblicke, die sich am ehesten verändert haben. Und natürlich auch Haltungen oder Herangehensweisen an bestimmte Dinge, wo man sich vielleicht früher schneller hat ablenken lassen. Oder vielleicht ist das nur ein Wunsch, dass man denkt, jetzt macht man Dinge überlegter. Aber ob das wirklich so ist, können wir im Laufe des Gesprächs dem noch auf den Grund gehen, oder?

Ja, vielleicht macht man Dinge überlegter. Das würde ich unterstreichen. In Deinem neuen Bühnenprogramm „Ein Teenager wird 50“ hört sich das auch sehr real an. Da hören wir jetzt mal rein.

Ja, ich gehe jetzt auf die 50 zu. Ich weiß, man sieht es mir nicht an. Ich habe noch mehr Haare auf dem Kopf als auf dem Rücken. Aber ich merke es schon langsam. Neulich war ich beim Optiker und dann fängt er so an, misst meine Gläser durch und dann schaut er auf den Monitor und sagt. „Herr Bauer, es ist soweit: Gleitsichtbrille!“

Seitdem ich über 40 bin, gehe ich einmal im Jahr zur Prostata-Vorsorge-Untersuchung, zum Urologen. Die große Hafenrundfahrt, keine Sorge, keine Details. Sitze ich im Wartezimmer, da liegen zwei Zeitschriften nebeneinander und ich habe fünf Minuten lang überlegt, welche mich mehr interessiert: Auf der einen Seite der Playboy, auf der anderen Seite die Apothekenumschau.

Ich frage Dich jetzt nicht, ob das autobiografisch oder frei erfunden ist. Aber gibt es Momente, in denen Du Dich in Deinem Programm ertappt fühlst und denkst: „Ja, genau das bin ich“?

Mein Bühnen-Ich und ich, die haben schon sehr viele Überschneidungen. Ich würde sagen, sie sind zu 80, 90 Prozent identisch. Bestimmte Seiten, die ich erlebe und durchgemacht habe, die überspitze ich dann noch. Dann wird vielleicht ein bisschen übertrieben oder eine Kleinigkeit hinzugefügt. Aber auf der Bühne bekommt man schon einen Großteil von dem echten Bewie Bauer.

Also das sagen auch Deine Familie, Deine Brüder, Deine Frau? Die haben das gehört und gesehen und haben gesagt: „Ja, das kommt hin, das ist er“?

So explizit frage ich da nicht nach, sondern ich frage eher: „Habt Ihr es unterhaltsam gefunden oder war es peinlich für Euch?“ Es ist ja oft so, wenn man seinen direkten Verwandten sieht, dass das einem vielleicht unangenehm ist, wenn er verkleidet auf die Bühne kommt. Aber ich denke, mittlerweile finden sie es unterhaltsam. Zumindest spiegeln sie mir das. Vielleicht auch nur aus Respekt. (lacht)

Ja, das ist wie mit meinem Podcast. Die Verwandtschaft und die Bekannten finden ihn gut, aber man weiß es nicht, ob es wirklich so ist. Vielleicht sind die eigenen Leute auch echt eine harte Zielgruppe…

Ja, also für mich, und ich weiß es von Kollegen auch, ist es am härtesten vor Leuten zu spielen, die man kennt. Gerade Comedy und Figuren. Und wenn es dann noch die direkte Familie ist, dann bin ich immer nochmal nervöser. Oder auch wenn ich in meiner Heimatstadt auftrete, wo ich ursprünglich herkomme, also Erding. Das ist auch immer ein schwieriger Auftritt. In München geht es dann schon. Aber am wohlsten auf der Bühne fühle ich mich oftmals in Gegenden, wo ich weiß, da kennt mich keiner, und nach dem Auftritt fahre ich wieder zurück. Das ist am einfachsten. Da kann man auch am besten loslassen und legt nochmal eine Schippe drauf.

Absolut! Würdest Du sagen, dass Humor eine heilende Wirkung auf Männer in unserem Alter hat?

Oh, das ist eine große Frage. Wenn man nicht so sehr auf Humor an sich abzielt, sondern auf Unterhaltung allgemein, glaube ich, ist Unterhaltung ganz, ganz wichtig für das Wohlbefinden. Denn wenn man sich unterhält, ist man im besten Fall besser drauf in irgendeiner Art und Weise. Sei es, weil man abschaltet, sich mit Themen beschäftigt, die einen überhaupt nicht berühren oder, wenn man sich mit Themen beschäftigt, die einen berühren, die aber eine andere, eine lustigere, eine leichtere Perspektive oder eine satirische Perspektive vermitteln.

Und dann wird manches erträglicher, was vielleicht schwer ist.

Ja, erträglicher kann auch sein. Aber wenn ich es auf mein Programm reduziere, ist es mir wichtig, dass die Leute, wenn sie bei mir sind, einfach zwei gute Stunden haben und sie mit einem positiven Gefühl rausgehen. Dass sie sagen: Ich habe gelacht. Oder: Ich habe abgeschaltet und hatte einfach einen guten Abend.

Das kann ich bestätigen. Denn ich war in Deiner Show und ich habe Dir gesagt: Freitagabend ist eigentlich immer mein Schluffi-Tag, an dem ich am besten Netflix schaue und ein bisschen runterkomme. Da habe ich gedacht: Jetzt muss ich mich nochmal aufraffen. Und dann war der Abend super unterhaltsam. Deswegen auch hier eine dicke Empfehlung. Und weil es so schön ist, spielen wir gleich nochmal was aus Deiner Show. Und zwar hören wir etwas über Beziehungsprobleme.

Die erste längere Beziehung geht zu Bruch. Man dachte, es wäre die Frau oder der Partner fürs Leben. PAM – alles kaputt! Man ist am Boden völlig zerstört. Man ist am Ende. Dann rappelt man sich wieder so ein bisschen auf und sagt sich: Man muss nach vorne blicken. Egal, wo das ist. Als Kerl denkst du dir: Weißt du was? Jetzt genießt du erst mal deine Freiheit und springst von Blume zu Blume. Selbst wenn sie verwelkt ist, Hauptsache Freiheit. Aber so weit her ist es dann gar nicht mit der Freiheit, denn es artet nämlich aus in Stress, in ewigem Kommunikationsstress auf sämtlichen Kanälen heutzutage. WhatsApp, Facebook-Messenger, Instagram, Tinder und so weiter. Ständig ist man am Tippen und am Swipen. Die ganze Zeit. Viele haben schon in so einer Phase, in so einer Single-Phase, Hornhaut auf den Fingern vom Tippen und so weiter. Okay, hat man früher auch gehabt als Single, aber halt von was Anderem. Hat sich jetzt nicht so viel geändert.

Aber gut, wenn man dann ständig unterwegs ist auf allen Kanälen, dann irgendwann kann es doch sein, dass es matcht und dass man sich dann doch mit jemandem datet. Und dann geht man hin und stellt fest: Oh, „Waldbiene 27“ ist doch „Wuchtbrumme 53“. Den Tag habe ich natürlich alleine verbracht zu Hause im Bett. Aus lauter Frustration habe ich mir zumindest ein Bein rasiert, damit ich wenigstens das Gefühl habe, ich würde neben einer Frau schlafen.

Die Stelle gefällt mir am besten mit dem rasierten Bein, damit man das Gefühl hat, man liegt neben einer Frau. Wie kommt man auf sowas?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf Ideen zu kommen. Das eine ist: Man wacht morgens auf, hat einen Einfall und schreibt ihn einfach auf. Das andere ist natürlich, dass man ständig inspiriert wird. Und das können Inspirationen von allem sein. Das kann ein Spielfilm sein, das kann ein Theaterstück sein, das kann eine Begegnung sein. Es kann sein, dass man etwas liest oder sieht und dann überlegt: Da steckt was Lustiges drin. Kann ich das noch aufbohren? Kann ich das vielleicht so aufbohren und für meine Zwecke ummünzen, obwohl das eigentlich vorher in eine ganz andere Richtung ging? Also jemand hat irgendwas mit Rasieren und Beziehung gemacht, war aber gar nicht humoristisch gemeint, sondern hatte einen anderen Dreh, aber ich könnte es ummünzen.

Diese Nummer habe ich schon relativ lang im Programm. Wie die entstanden ist, daran kann ich mich tatsächlich nicht so erinnern. Und dann gibt es aber auch schon das Sich-Hinsetzen und Ideen fokussieren, ein Thema setzen. Hier gibt es Brainstorming- und Schreibmethoden, zum Beispiel, dass man Begriffe aufschreibt und versucht, in der zweiten Spalte Begriffe zu setzen, die zu den ersten Begriffen vollkommen konträr sind. Und dann versucht man aus einem Kontrast eine Pointe herzustellen.

Bei mir ist es eine Mischform. Ich habe auf der einen Seite ein Dokument, in dem ich Ideen sammle. Ich nutze auch ein Diktiergerät, das ich dann immer wieder abrufe. Das können Themenideen sein, es können aber auch einzelne Pointen sein. Und irgendwann, wenn ich an einem neuen Programm sitze, nehme ich mir dann einen Themenpunkt und versuche diesen aufzublähen. Und dann werden aus einem Satz im besten Fall zehn Seiten, mit allem möglichen. Einfach, was rauspurzelt, über mehrere Tage oder sogar Wochen. Und irgendwann wird es wieder reduziert, eingekocht sozusagen, ein Konzentrat gebildet.

Es ist schwierig, das auf einen Punkt zu bringen. Ein Song funktioniert wieder anders. Bei einem Song habe ich oftmals die Hookline, also einen knackigen Satz, von dem ich sage: Das ist ein Refrain, wie zum Beispiel „Wer am lautesten plärrt, werd g’hert“. Das ist mir irgendwie unter dem Einfluss von 2017, 2018 eingefallen. Da waren Demos und Trump und so weiter. Ich dachte mir: Hey, das kann man kneten, das hat Hymnencharakter.

Und damit hast Du ja auch an einem Wettbewerb in Österreich mitgemacht.

Genau. Es gibt vom Radiosender FM4, dem Jugendradiosender des ORF, seit über 15, 20 Jahren einen Songwettbewerb und zwar den Protestsong-Contest. Da habe ich mich 2019 mit dem Song beworben und wurde auch nach Wien eingeladen. Das war eine große Veranstaltung in einem ganz tollen Konzerthaus, wo dann 20 Künstler im Halbfinale waren. Und dann durfte man diesen einen Song vor einer Jury spielen.

Wenn man nur drei Minuten Live-Zeit hat, ist es schwierig. Du kommst auf die Bühne, kannst Dich gar nicht eingrooven. Wo ist das Kabel? Ich glaube, meine Gitarre war auch noch verstimmt, aber ich hatte nur diesen 3-Minuten-Slot. Dann Augen zu und durch. Ich bin nicht weitergekommen, aber ich war im Halbfinale.

Eben, und der Song ist fester Bestandteil Deines Programms. Hey, er hat es geschafft!

Genau!

Ich muss sagen: Ich habe einen Heiden-Respekt vor Kabarettisten und Comedians. Wenn Du, in Anführungszeichen, nur Musiker bist, bekommst Du, wenn es nicht optimal läuft, vielleicht ein bisschen weniger Applaus. Aber als Kabarettist bekommst Du keine Lacher, wenn die Leute Deine Gags nicht witzig finden. Wie gehst Du mit diesem Druck um? Oder empfindest Du gar keinen Druck, weil Du einfach eine coole Sau bist?

Natürlich, deswegen macht man es. Also jeder Comedian und jeder Kabarettist, der noch dazu allein auf die Bühne geht, ist eine Rampensau. Und wenn er was Anderes behauptet, nehme ich ihn zunächst mal nicht ernst. Da spielt schon ein gewisses Bedürfnis nach Applaus auf alle Fälle eine Rolle. Auch wenn politische Kabarettisten sagen, sie wollen die Welt verändern und sie wollen ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft sein. Das mag schon auch richtig sein. Aber ich glaube, an erster Stelle steht: Sie wollen auf die Bühne.

Und sie wollen ankommen.

Und sie wollen ankommen! Wenn Du auf die Bühne gehst, willst Du natürlich ankommen. Und das ist kein schönes Gefühl, wenn man sich fehl am Platz fühlt. Mit der Zeit lernt man damit umzugehen, wenn sowas passiert. Also entweder man lernt dann: Okay, die Nummer ist einfach schlecht. Oder man lernt, dass man, wenn es bestimmte Bühnen oder bestimmte Settings sind, da entweder lieber nicht spielt oder Programmpunkte herauszieht, von denen man sagt, die könnten in diesem Setup vielleicht besser funktionieren.

Mir hat jemand mal das Sprichwort erzählt: Die Bühne kann einem wahnsinnig viel geben, wenn es funktioniert. Und die Bühne kann einem auch wahnsinnig viel nehmen…,

… wenn es nicht funktioniert.

… wenn es nicht funktioniert. Und dazwischen ist alles möglich.

Rock-Kabarettist Bewie Bauer
Rock-Kabarettist und Comedian Bewie Bauer (Foto: Christian Hartlmaier)
Kommen wir nochmal zum Einstieg zurück, zur zweiten Pubertät. In der zweiten Pubertät kommen manchmal Aspekte unserer ersten Pubertät an die Oberfläche. Also nicht wenige hören zum Beispiel die Songs von früher aus der Jugend. Ich gehöre, ehrlich gesagt, zu dieser Gruppe. Gibt es auch etwas bei Dir, was sich nach 25 oder 30 Jahren wieder in Dein Bewusstsein gedrängt hat?

Ich habe dieses Gefühl der zweiten Pubertät nicht so extrem, wie es vielleicht andere empfinden. Aber das liegt natürlich daran, dass ich von dem, was ich als Jugendlicher gemacht habe, auch beruflich nicht komplett abgedriftet bin. Also ich hatte als Jugendlicher eine Rockband und ich bin seit 20 Jahren bei diversen Radiosendern im Tonstudio tätig, wo ich auch jeden Tag ein Klavier zur Hand habe, wo ich hin und wieder eine Gitarre in die Hand nehme. Klar hat es einen anderen Zweck, da geht es nicht darum, das eigene Ego zu befriedigen, sondern es muss einem Medienprodukt dienen, was fast schon einen industriellen Charakter hat. Trotzdem hat das Setting gewisse Überschneidungen.

Allerdings kann ich schon sagen, dass das schon ein Erlebnis war, als ich 2012 mit 36 die Bühne für mich wiederentdeckt habe. Zwar nicht als Band, sondern in Form von Comedy. Dazwischen war ich nur im Hörfunk tätig. Da habe ich mir gesagt: Okay, das muss ich weiter forcieren, da möchte ich hin. Und dann habe ich das eben auch weiter forciert. Damals noch mit einem Partner, Christoph Stelzner, zusammen. Das war eine tolle Zeit. Er wollte das dann aus beruflichen und familiären Gründen nicht weiter forcieren. Aber mein Wille war so stark, dass ich mir gesagt habe: Dann will ich es alleine machen.

Also da hat sich etwas aus Deiner Jugend fortgesetzt, was mit dem Rockspielen schon angeklungen ist.

Genau, aber es war nicht mit 40 oder 50, sondern mit Anfang 30. Das war einfach 10, 15 Jahre nicht so präsent.

Du sagst über Dich selbst oder hast, glaube ich, sogar einen Song darüber geschrieben: Ich kann alles, aber nur ein bisschen. Hast Du mit dem Mittelmaß in vielen Dingen Frieden geschlossen?

Ja, da bin ich pragmatisch. Das war wahrscheinlich schon so, wenn ich zurückdenke, in meiner Schulzeit. Ich war ganz schlecht im Lernen, konnte mir Dinge überhaupt nicht merken. Aber wo ich der Beste war in der Klasse, war immer, wie man berechnet, ob man das Jahr schafft oder nicht.

Du hast ganz genau die Punkte im Blick gehabt.

Also die Spielregeln, wie sich der Notenspiegel zusammensetzt, die konnte ich wirklich in- und auswendig. Und habe sie bewusst trotzdem verfehlt. Also dieses Wissen über die Spielregeln hilft noch nicht, dass man das Jahr dann trotzdem besteht.

Ja, ich habe auch eine Ehrenrunde gedreht.

Ich habe zwei Ehrenrunden gedreht!

Manche innerhalb des Comedy-Bereichs würden das anders sehen. Ich betreibe sehr viel technischen Aufwand, und die Technik ist sehr ausgereift bei mir. Also wenn ich irgendwo hinkomme, dann sind viele Bühnen erstmal überrascht, was ich da auftische. Einmal von der Menge her, aber die sind auch überrascht, dass alles sehr gut vorbereitet ist, was für einen gewissen Perfektionismus sprechen würde. Es ist aber, glaube ich, eher Pragmatismus, weil es mir schon so oft passiert ist, dass irgendwas nicht funktioniert hat. Und ich will damit keine Zeit verschwenden. Also es ist im Sinne von Zeitoptimierung. Wobei ich, glaube ich, schon der Typ bin, der versucht, sehr gut vorbereitet zu sein. Und wenn ich nicht gut vorbereitet bin, dann werde ich unruhig.

Das kenne ich… Aber vielleicht müssen wir erst mal sagen, was Du denn alles kannst, wenn Du sagst: Ich kann vieles oder alles, aber nur ein bisschen. Also Gitarre spielen, logisch, sonst wärst Du kein Rock-Kabarettist.

Naja, aber Gitarre spielen ist so ein Thema. Ja, ich kann solide Gitarre spielen, aber ich bin kein geiler Gitarrist. Jemand, der nicht Gitarre spielt, würde sagen: Das klingt doch fett!

Ja, finde ich auch.

Aber spielst Du Gitarre?

Nein, natürlich nicht. (lacht)

Aber ich weiß, dass das, was ich da betreibe, eine gewisse, wie soll ich sagen, Pose ist. Ich spiele halt so, dass es geil klingt, aber jeder E-Gitarrist, der ein paar Jahre Unterricht hatte, der schaut mich an und denkt sich: Naja, der weiß schon, wie er es machen muss, damit es fett klingt. (lacht)

Der würde Dich entlarven. Aber ich finde für ein ungeschultes Publikum wie mich ist das wunderbar. Also ich finde, das klang fett und so, als hättest Du es drauf. Was kannst Du noch? Du kannst parodieren, das habe ich gehört.

Ja, aber auch da ist mein Einsatzbereich beschränkt. Das hat was mit meinen stimmlichen Fähigkeiten zu tun, weil ich zum Beispiel nicht so tief runterkomme. Also von der Stimmfarbe her. Deswegen liegen mir Parodien im fisteligen Bereich mehr, wie zum Beispiel Karl Lauterbach, [parodiert] der eher eine dünne Stimme hat. Oder auch Papst Ratzinger, [parodiert]… Seid gegrüßt, voll der Gnade, es freut mich, heute hier zu sein.

Wenn es dann irgendwie tiefer geht, dann müsste ich pressen. Hape Kerkeling macht das zum Beispiel super. Hape Kerkeling ist von der Stimmfarbe her viel breiter. Der kann auf der einen Seite Horst Schlemmer… [parodiert] weiße Bescheid… Das ist eben nicht so gedrückt, sondern der kann so tief runtergehen. Und dann kann er aber auch Uschi Blum, also eine Frau, wobei er keine Kopfstimme macht.

Aber ist das eine Fähigkeit, die angeboren ist, weil die Stimmbänder und der ganze anatomische Apparat so funktionieren? Oder ist das was, wo man sagt „Trainiere nur ordentlich, dann schaffst Du es auch runter“?

Ich glaube, es ist beides. Es gibt eine Range, die man hat und natürlich ist das andere, sich mit der Stimme zu beschäftigen. Aufgrund meiner Radio-Vergangenheit – da hatte ich auch Sprecherziehung – habe ich mich natürlich intensiv mit der Stimme auseinandergesetzt. Nicht um zu parodieren, aber damit es etwas hochdeutscher klingt. Und dann auch durch den Bereich Tontechnik, was viel mit Hören zu tun hat. Bei mir entstehen die Parodien immer über die Stimme. Das Optische und die Bewegung kommen erst später. Erst kommt die Sprache, die Stimme, dann bestimmte Begrifflichkeiten, Betonung und dann das Optische und die Bewegung.

Leuchtet ein.

Und das lernt man dann schon.

Ich hatte einen guten Mentor nach dem Studium, Markus Walsch, der ist Comedy-Autor bei Bayern 3. Und der hat mir auch ein bisschen die Augen geöffnet, was man mit der Stimme machen kann. Man muss die Scham vor der eigenen Stimme verlieren. Man muss einfach drauf loslegen.

Der hat mir eine ganz schräge Stimme gezeigt. Da muss man sich an den Kehlkopf greifen. [probiert]… eins, zwei. Nee, ich kriege sie nicht mehr hin. Ich habe sie schon lange nicht mehr gemacht. Aber die klingt dann irgendwie ein bisschen kopfig. Und das tut auch ein bisschen weh. Ich habe die früher mal besser gekonnt, aber mein Kehlkopf scheint sich verändert zu haben.

Also auch wirklich mit Händen an seiner Stimme arbeiten. Da gab es ja früher mal diese Mediamarktstimme, die immer so überschlägt [parodiert]… Hallo Leute, heute Gitarren im Angebot!

Gruselig.

Ich weiß. Da geht es bloß darum: Das muss man sich erst mal trauen, das zu tun. Ich glaube, jeder, der Radio macht, probiert mit seiner Stimme rum.

Wir waren beim Mittelmaß im Vielen. Da sind wir hängen geblieben. Hast Du den Eindruck, dass die Lebensmitte eine Phase der Akzeptanz ist oder eher des Neubeginns?

Die Frage ist, wer es akzeptiert? (lacht) Muss das Umfeld die eigene Lebensmitte akzeptieren und die eigenen Suchten und die eigenen Haltungen? Oder akzeptiert man es selber? Also sagen wir mal so: Ich bin froh, dass ich, obwohl ich vermutlich in der Lebensmitte bin, mir diese Fragen derzeit noch nicht stelle, weil es mir das Gefühl gibt: Dann hast Du vielleicht die letzten Jahre nicht so viel falsch gemacht. Es kann aber sein, dass ich Dir in drei Jahren was Anderes erzähle und sage: So, und jetzt stelle ich mir die Fragen.

Es gibt verschiedene Stufen der Lebensmitte. Einen Teil hast Du ja schon abgeschlossen. Der Bayerische Rundfunk hat vor kurzem einen Beitrag über Dich im Rahmen der TV-Serie „Lebenslinien“ gesendet. Hier lernt man ernstere Seiten Deines Lebens kennen. Man sieht Dich und Deine Brüder, wie Ihr Euer Elternhaus auflöst, und erfährt, dass Deine Mutter nach einem Unfall im Haushalt querschnittsgelähmt war. Also der Tod der eigenen Eltern, Abschied nehmen, das ist ja schon ein Teil der Lebensmitte. Dieser Dreh, das hast Du mir im Vorfeld gesagt, hat auch einige Tage gedauert. Hat der was in Dir innerlich bewegt? Weil man lässt ja doch viel Revue passieren.

Vielleicht muss man das nochmal einordnen. „Lebenslinien“ ist ein Format, das 45 Minuten dauert. Darin ging es nicht nur über mich, sondern vor allen Dingen über meinen Bruder Franz und mich, weil uns was verbindet.

Darüber reden wir gleich.

Man kann kurz vorwegnehmen: Er hat vor 16 Jahren eine Niere von mir bekommen. In dem Format „Lebenslinien“ wollen sie sehr viel von dem Leben wissen, deswegen gibt es zehn Drehtage, weil sie dann zum Beispiel an die Schule gehen und mit Lehrern reden und beleuchten, wie das als Kind und als Jugendlicher war. Und diese zehn Drehtage haben sich über vier, fünf Monate hingezogen. Davor gab es eine Vorrecherche und viele Gespräche. Die Redakteure müssen erst mal abklopfen, ob sie das wirklich machen. Der eine oder andere Protagonist springt vielleicht noch ab. Oder bei dem einen oder anderen Protagonisten sagen die Redakteure „machen wir doch nicht“.

Und in dieser Zeit bewegt man sich vier Monate wirklich extremst in der Vergangenheit, weil die „Lebenslinien“ ein Rückblick sind. Mit allen positiven und negativen Aspekten. Also man schaut alte Fotoalben durch, weil man Bilder aussucht. Und dann entdeckt man zum Beispiel ein Foto von der verstorbenen Mutter. Und da gibt es schöne Momente, die hochkommen. Und dann gibt es natürlich auch traurige Momente, also beide Seiten. Oder Beziehungen, die man mal geführt hat. Die eine lief besser, die andere lief nicht so gut. Am Schluss ist sie irgendwie zu Bruch gegangen. Wie war das für mich? Das war nicht so, dass mich das ständig wieder erschüttert hätte, aber es waren vier Monate der Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit, wo ich tendenziell ein Typ bin, der versucht, eher das Jetzt zu akzeptieren und nach vorne zu blicken. Das war emotional durchaus anstrengend, weil es einfach eine ständige, immer wiederkehrende Konfrontation war.

Also am Ende dieser Drehzeit warst Du innerlich erschöpft und platt.

Erschöpft ist vielleicht genau der richtige Begriff. Also ich habe diese Dreharbeiten nicht irgendwie negativ gesehen, sondern schon positiv. Auch, dass es ein Privileg ist, dass man in seinem Leben begleitet wird und ein professionelles Kamerateam auf sein Leben zurückblickt. Aber erschöpft trifft es ganz gut. Erschöpft in dem Sinne, dass man sagt „So und jetzt erstmal zwei Wochen Urlaub“. Es hat dann noch ein paar Monate gedauert, bis der Beitrag gesendet wurde. Das war auch noch eine Anspannung. Wie reagieren die verschiedenen Umfelder darauf, also das familiäre, das berufliche, die Kabarettkollegen? Aber ich habe durchwegs positive Rückmeldungen bekommen.

Das Hauptthema dieses Beitrags, das hast Du schon gesagt, war die Nierenspende an Deinen Bruder Franz vor 16 Jahren. Seine Nieren haben nicht mehr funktioniert, wahrscheinlich als Langzeitfolge einer Pilzvergiftung. Wie ist Dein Blick auf die Nierenspende heute? Denkst Du manchmal, als Anfang-30-Jähriger war ich ganz schön mutig, das zu machen?

Ja, tatsächlich ist das so ein Thema. Natürlich hatte ich damals Sorgen und vielleicht auch Ängste: Geht das alles gut? Aber vielleicht bin ich manchmal so, dass ich dann einsteige und dann wird der Weg gegangen. Schon abgewogen: Ist das alles okay, ist das machbar? Welche Risiken gibt es? Ich habe ja viel mit Ärzten gesprochen. Und dann ist es erstmal abgeschlossen.

Meine Neffen und meine Nichten sind teilweise auch schon über 30 und in dem Alter, in dem ich damals war. Und wenn ich die dann so sehe, wie jung die noch sind, dann denke ich: Ja krass, genau in dem Alter habe ich gesagt: „Ja, mache ich.“

Würdest du es wieder machen?

Nee, weil ich keine mehr habe. (lacht).

Ich habe es mir gerade gedacht, dass ein Fehler in meiner Frage war. Also würdest Du es wieder machen, wenn Du jetzt wieder in dem Alter wärst und noch beide Nieren hättest?

Also mir geht es gut. Es spricht überhaupt nichts dagegen, das nochmal zu machen. Ich bin tipptopp gesund. Trotzdem hat diese Operation Risiken, weil man natürlich aufgeschnitten wird und etwas herausgenommen wird: Blutungen, Entzündungen, Vollnarkose, mehrere Stunden Operation. Es kann immer was passieren. Aber ich habe keinen Grund zu sagen „Nee, das mache ich nicht nochmal“, weil es mir einfach wirklich gut geht. Ich bin gesund, ich muss keine Medikamente nehmen. Und das Schöne ist: Meinem Bruder Franz – und das ist nicht selbstverständlich – geht es nach 16, 17 Jahren auch immer noch topp. Denn normalerweise lässt oftmals die Leistung einer gespendeten Niere nach. Oder das Organ wird abgestoßen. Bei ihm deutet momentan alles darauf hin, dass alles tipptopp in Ordnung ist. Hoffen wir mal, dass das so bleibt.

Super, echt ganz toll!... Wenn man in Deine Show geht, liegt auf jedem Sitzplatz ein Flyer, der auch einen Organspendeausweis enthält. Ich habe mir gedacht: Ich bin jetzt 54, meine Organe sind schon zu alt. Aber ich habe gegoogelt: Es gibt tatsächlich kein Höchstalter für Organspenden. Also es könnten, wenn ich morgen das Zeitliche segne, meine Organe unter Umständen noch Verwendung finden.

Ja, selbstverständlich. Man muss sich bloß mal klarmachen: Nehmen wir mal an, ein Mensch hat kaputte Nieren. Und ein 70-Jähriger stirbt an Herzversagen. Deswegen ist seine Niere immer noch besser als die von jemandem, bei dem die Nieren versagen.

Gut, das leuchtet ein. 40 Prozent der Deutschen haben laut Umfragen einen Organspendeausweis. Das finde ich schon ganz ordentlich, ist aber noch ausbaufähig. Woran, glaubst Du, liegt es, dass es nicht noch mehr sind?

Ich glaube, dass mehr Leute bereit wären, ihre Organe zu spenden. Nur man muss sich ja mit dem Thema auseinandersetzen. Bevor ich einen Organspendeausweis ausfülle, muss ich mich natürlich mit so einem Thema beschäftigen. Das Thema hat logischerweise mit dem Tod zu tun. Und mal ganz ehrlich: Wer beschäftigt sich gerne freiwillig, wenn es nicht unbedingt sein muss, mit dem Tod?

Und ich glaube, wenn die Leute sich gegenseitig anstupsen würden „Hey, informier Dich mal, beschäftige Dich damit mal“, dann würden sich mehr Leute dafür entscheiden. Es wird auch einen Teil von Menschen geben, die sich informieren und sagen: Das mache ich nicht. Dann ist es aber auch okay. Sie haben sich informiert und wissen, warum sie Nein sagen. Aber viele sagen einfach vielleicht auch Nein, weil sie denken: Ich bin über 60, meine Organe werden eh nicht mehr genommen. Das habe ich jetzt schon öfters gehört nach einem Auftritt. Das stimmt aber nicht. Letztendlich entscheiden die Ärzte vor Ort: Passt das Organ oder passt es nicht?

Ich habe den Organspendeausweis auch noch nicht ausgefüllt, aber Dein Flyer liegt ganz präsent bei mir auf dem Schreibtisch und schaut mich an. Ich denke mir: Naja, wenn ich dann gefunden werde, und der Notarzt schaut da rein und denkt: „Ach super, komm, der hat einen Organspendeausweis, lassen wir es gut sein.“ Aber das ist natürlich total irrational.

Also es lohnt sich wirklich, sich damit auseinanderzusetzen. Ich habe jetzt nicht genau alle Fakten da, aber mein Wissensstand ist folgender: Du kommst nur als Organspender in Frage, wenn Du in einem Krankenhaus stirbst. Das muss auch ein Körper sein, der noch halbwegs intakt ist. Im Idealfall – aus Organspendersicht und Organempfängersicht – hast Du einen Hirntod. Der Körper ist noch wohlbehalten, aber es ist ein Hirntod, weil Du einen Hirnschlag hattest oder ähnliches. Und das muss in einem Krankenhaus passieren. Und in dem Krankenhaus muss auch geschultes Personal da sein für die Transplantation, die dann auch den Tod feststellen. Der Prozess in den Krankenhäusern ist tatsächlich ein Aspekt, den man durchaus optimieren kann. Da gibt es sicher einige Leute, die einen Organspendeausweis haben, die in Krankenhäusern versterben und für eine Organspende geeignet wären, aber das Krankenhaus an sich ist dafür nicht vorbereitet.

Und am Schluss, das sei noch gesagt, selbst wenn man einen Organspendeausweis hat und da „Ja“ angekreuzt hat, werden trotzdem noch immer die nächsten Verwandten gefragt. Denn es kann ja sein, dass man den Organspendeausweis vor zwei Wochen ausgefüllt hat. Aber letzte Woche beim Stammtisch hat man seiner Frau erzählt: Ich spende nicht.

Okay, Du bist der perfekte Verkäufer, falls Du mal nicht mehr Kabarett machen willst. Du hast mich jetzt schon gecashed. Also ich fülle das Ding aus.

Informiere Dich aber nochmal genau. Ich habe mich im Vorfeld unseres Gesprächs nicht nochmal alle Fakten genau eingeholt. Aber es ist eben nicht so, ich rutsche auf der Straße aus, habe mir das Knie gebrochen. Und dann kommt der Sanka und die Sanitäter sagen „Ah, super Organspendeausweis!“ und schneiden Dir an Leib und Stelle die Niere raus. So ist ja oft die Vorstellung.

Das hat alles seine Ordnung, vor allem in Deutschland, das muss man sagen. Kommen wir nochmal zurück zu Deiner beruflichen Situation. Du hast neben Deinem Beruf als Kabarettist noch einen anderen bei einer großen bayerischen Rundfunkanstalt. Ist das ein Modell, das Du anderen empfehlen würdest? Also ein Beruf, der die Basis bildet, einem ausreichend das Leben sichert und einen zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und Leidenschaft?

Also ich habe mir das tatsächlich gar nicht so ausgesucht. Es war nach dem Studium so, dass ich einen Job gesucht habe im Medienbereich und bin da beim Bayerischen Rundfunk, kann man ruhig so sagen, erst bei Bayern 3 gelandet. Jetzt bin ich bei Bayern 1. Und in den öffentlich-rechtlichen Sendern ist bei den Menschen, die Programm gestalten, die sogenannte feste freie Mitarbeiterschaft der Normalfall. Das heißt, man wird bezahlt, wenn man arbeitet. Am Anfang bei Bayern 3 haben sie gesagt: Hey, wir haben Interesse, komm doch zu uns, aber wir können Dir nur zwei von vier Wochen zusagen. Das fand ich in dem ersten Moment gar nicht so cool, weil ich eigentlich Vollzeit arbeiten wollte und habe das aber trotzdem hingenommen.

Das war eine Zeit – 2003, 2004 –, wo es in der Medienbranche eh schwierig war. Die New-Economy-Blase war geplatzt. Und dann war ich froh, dass ich zumindest das hatte und habe dann erst festgestellt, dass das eigentlich ein ganz gutes Modell sein kann, weil man sich dann außerhalb Freiräume schaffen kann. Dann habe ich mich mit dem Thema Podcasting beschäftigt, habe einen eigenen Podcast gemacht, habe noch einen Masterstudiengang nebenberuflich gemacht. Das wäre gar nicht gegangen, wenn ich Vollzeit gearbeitet hätte. Ich sage: Ich arbeite auch heute Vollzeit, nur nicht für einen Arbeitgeber, sondern halt für mehrere.

Also doch durchaus ein Modell, das eine Attraktivität hat.

Ja, hat aber auch einen Preis. Der Preis ist erstmal, dass man tatsächlich nicht so viel verdient. Und bei Comedy geht zumindest am Anfang gar nichts. (lacht)

Ich habe Dich jetzt nicht mit einem Benz beim Kabarett vorfahren sehen.

Und das Zweite ist, und das ist auch eine Wahrheit: Wenn man in einem Unternehmen nicht Vollzeit arbeitet, ist man nicht so präsent, man wird nicht so wahrgenommen. Das heißt, Karriere-Schritte in Teilzeit, das mag nicht immer und überall zutreffen, glaube ich, sind schon deutlich schwieriger als in Vollzeit.

Ja, das ist eine leidvolle Erfahrung von vielen Müttern zum Beispiel… Zwei Berufe zu jonglieren, noch eine gute Partnerschaft zu führen – Du bist verheiratet –, dafür braucht es Energie. Was sind Deine Kraftquellen? Wo ziehst Du Energie raus, um das alles meistern zu können?

Ob jetzt gewollt oder nicht gewollt, das sei mal dahingestellt. Also es ist ungewollt, aber es ist so. Meine Frau und ich, wir haben nichts, was die Kräfte so bindet. Sprich, wir haben keine Kinder. Ich glaube schon, und kriege es in meinem Umfeld mit, dass Kinder für viele Beziehungen einfach kräftezehrend sind.

Ja, Kinder können Kraft kosten.

Das war nicht gewollt von uns, aber es ist eben so, wie es ist. Und ich glaube, dass das auch dazu geführt hat, dass meine Frau und ich viel Zeit miteinander verbringen können. Wir sind halt zu zweit und nicht zu dritt oder zu viert oder zu fünft. Das kann ein Grund sein, muss aber nicht. Es gibt genauso viele kinderlose Paare, die auseinandergehen. Also man kann es vielleicht nicht so pauschal sagen.

Das ist schon auch Deine Kraftquelle, die Zweierbeziehung.

Ja, ich bin sowieso ein Mensch, der immer in Beziehungen war, langen Beziehungen, auch schon mit 20 oder so, da hatte ich auch schon immer jahrelange Beziehungen. Das klingt so, als hätte ich mehrere jahrelange Beziehungen gleichzeitig gehabt. (lacht) Ich fühle mich in einer Beziehung deutlich wohler als alleine. Und momentan, und dieser Moment hält schon seit zehn Jahren an, auch.

Letzte Frage: Lebensmitte ist ja auch nochmal eine Zeit der Träume und Ziele. Was sind Deine Träume, die Du noch verwirklicht sehen willst?

Ich habe vor einem Jahr mit einem neuen Programm gestartet. Und ich gebe zu, dass 2022, als die Pandemie vorbei war, ich mir die Frage gestellt habe: Will ich nochmal die Kraft aufwenden, ein neues Programm zu schreiben. Da steckt ja viel dahinter. Ich habe keine Agentur. Von der Webseite, über Plakate, dann der Schreibprozess, der Übeprozess, Bühnen anschreiben, Homepage machen. Will ich das nochmal probieren und ich habe mich dazu entschieden, und es läuft wirklich gut an. Also es könnten immer mehr Leute sein. Das ist das große Thema: Kommen genügend Leute? Du warst bei einem Auftritt mit 40, 45 Leuten. Das war schön gefüllt, aber es sind eben nicht 200 oder 3000 Leute.

Auch, wenn nicht so viele Leute da sind, aber mir gelingt es, eine gute Stimmung zu machen, und da hatte ich jetzt viele schöne Auftritte, gibt mir das Kraft. Und daran möchte ich natürlich weiterarbeiten, dass es mehr werden. Das sind jetzt meine spontanen Träume. Und natürlich, dass das im besten Fall so einen Spin bekommt, aber das hat dann auch was mit dem Mindset zu tun, dass man dann abschalten und sich voll auf die Kreativität konzentrieren kann, irgendwann mal.

Also voll auf das Kabarett.

Ja, wobei ich eben nicht weiß, ob das Ganze aufgeht, weil das jetzige Modell einfach super ist, aus verschiedenen Gründen. Wenn ich jetzt meinen Job beim BR nehme: Erstmal sind das tolle Kollegen, die ich echt gerne mag. Also es ist nicht so, dass mich die Leute dort aufregen, sondern das sind alles professionelle, gute Leute, von denen man sich auch viel abschauen kann. Das ist das eine. Ich habe das Gefühl, dass ich da eine Akzeptanz bekomme. Jetzt kann ich mich dort auch weiterentwickeln. Und ich weiß, ich kann auch deswegen kreativ sein, weil zumindest die Miete bezahlt ist. Und das ist auch ein Wert. Deswegen kann ich auf die Frage „Möchtest Du irgendwann mal den anderen Job aufgeben und nur noch Comedy machen?“, gar nicht mit einem eindeutigen Ja antworten. Denn vielleicht ist genau das Modell, das ich momentan fahre, super. Und zwar für alle Beteiligten. Der BR hat einen zuverlässigen Mitarbeiter. Ich habe trotzdem noch den Freiraum, im Unterhaltungssektor kreativ zu sein und bin dann auch ein zufriedener Mitarbeiter. Also ich kann darauf keine eindeutige Antwort geben.

Titelfoto von Adi Goldstein auf Unsplash

Rock-Kabarettist Bewie Bauer
#21
Männer, Midlife und Comedy: Wie ein Kabarettist die Lebensmitte sieht

In dieser Episode spricht Joachim Zdzieblo mit Bewie Bauer, einem Künstler, der Kabarett und Rockmusik kombiniert. Sie erkunden seine persönliche Entwicklung vor dem 50. Lebensjahr und die Herausforderungen der Lebensmitte. Bewie teilt humorvolle Anekdoten über körperliche Veränderungen und berichtet von seinem Programm „Ein Teenager wird 50!“.

Sie diskutieren die Bedeutung von Humor, familiären Bindungen und die Nierenspende an seinen Bruder Franz. Bewie gibt Einblicke in seine Karriere und seine Träume, was die Episode zu einer inspirierenden Reflexion über Leben und Kunst macht.

Interessante Links:

Bewie Bauers Homepage: https://bewie-bauer.de/

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