Yani Neugebauer initiierte das Gründungszentrum 50plus, Deutschlands erstes Forum für berufserfahrene Gründer. Sie zeigt, wie Mann sich in der Lebensmitte leichtfüßig selbständig machen kann. Und sie erklärt, warum sie sich selbst als Trüffelschwein bezeichnet.
Du warst Anfang Vierzig, also zu Beginn der Lebensmitte, als du dich als Beraterin für den beruflichen Neustart 50 plus selbstständig gemacht hast. Was war deine Motivation zu dem Schritt?
Ich komme beruflich aus einer Männerwelt. Ich habe 15 Jahre im internationalen Bankgeschäft gearbeitet und merkte dort, dass meine Kernkompetenzen nicht abgerufen werden. Ich war gut in dem Job und machte auch meine Karriere, aber ich merkte, dass das, was mich als Mensch auszeichnet in diesem Job eigentlich nicht abgerufen wird. Ich habe dann lange geguckt, was ich machen könnte. Ich bin aus der Bank-Schiene nicht herausgekommen, weil natürlich das Gehalt stimmte, der Titel stimmte und die Karriere stimmte.
Irgendwann folgte ich einem Portugiesen nach Portugal und er sagte: Mache dich doch selbständig und berate Frauen in der gleichen Situation wie du, also Frauen, die im Ausland leben und ihr eigenes Geschäft basierend auf ihren Talenten und Fähigkeiten aufbauen wollen. Das war für mich ein absoluter Augenöffner.
Kommen wir zu den Männern: Aus welchem Motiven machen sich Männer auf in die Selbstständigkeit? Weil sie keine feste Stelle mehr in Unternehmen bekommen, also notgedrungen, oder aus freien Stücken, weil sie sich mehr erhoffen als von einer erneuten Festanstellung?
Es gibt beides: Es gibt viele, die sich aus freien Stücken selbständig machen, weil sie endlich das, was sie besonders gut können, vermarkten wollen. Ebenso viele Männer sagen, sie müssen sich selbständig machen, weil sie ihre Kernkompetenz aufgrund ihrer Gehaltsvorstellungen nicht en bloc 40 Stunden in der Woche als Festanstellung verkaufen können. Bei uns im Gründungszentrum 50plus finden sie dann die Möglichkeit, ihr Know-how nicht an einen einzigen Arbeitgeber zu verkaufen, sondern an mehrere.
Stichwort Kompetenzen: Nehmen wir an, ein Mann mit 30 Jahren Vertriebserfahrung kommt zu Dir und will sich selbständig machen. Kann es passieren, dass Du in der Arbeit mit ihm auf ganz andere Kompetenzen kommst und Du ihm rätst: Mach was Anderes als Vertrieb?
Vertrieb ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, denn für eine Selbständigkeit ist Vertrieb immer wichtig. Aber dass jemand viele Jahre eine Spezialistenrolle in einem Unternehmen hatte und dann bei mir noch andere Kompetenzen entdeckt, passiert schon.
In meiner Generation der Babyboomer gab es viele Eltern, die zum Beispiel ihrem Sohn gesagt haben: Du machst jetzt eine Metzgerlehre, weil der Papa eine Metzgerei hat. Der Junge konnte dann nicht mal aufs Gymnasium gehen, weil die Eltern das verhindert haben. Und so war er in seiner Berufswahl eingeschränkt.
Und dieser Junge arbeitete dann in der Metzgerei und trainierte wie in einem Fitness-Studio einen bestimmten „Muskel“, der Metzgerei heißt, und wurde darin zum Spezialisten. Ich glaube, dass bei vielen in der Lebensmitte der Frust über die Arbeit so groß ist, weil man gar nicht mehr merkt, welche anderen „Muskel“ noch vorhanden sind, weil man acht oder zehn Stunden am Tag nur einen einzigen Muskel trainiert und den Blick für das Ganze verloren hat.
Wenn man dann aus dem Beruf ausscheidet oder den Job verliert und sich selbständig machen will, merken viele dann, dass das nicht so einfach ist. Warum? Weil ich als Selbständiger eine größere Überzeugungskraft brauche, um einen Job zu kriegen, als wenn ich ein Angestellter bin, der die Arbeit auf den Tisch bekommt.
Und da setzt Du dann mit Deiner Beratung an.
Da fange ich meine Arbeit als Trüffelschwein an, denn die Fähigkeiten, die ich bei meinen Klienten entdecke, sind häufig verdeckt wie der Trüffel, der im Dreck liegt. Diese Fähigkeiten sieht man häufig selber nicht. Ich habe selbst mein Talent nicht gesehen, dass ich Menschen gut beraten kann und eine Geschäftskreativität habe, die etwas wert ist.
Und dann kann sich herausstellen, dass zum Beispiel ein Buchhalter ein absoluter Menschenmensch ist und somit noch was Anderes auf dem Kasten hat. Hier komme ich auf die Frage zurück, ob man in der Selbständigkeit etwas ganz Anderes macht, als das was, was man zuvor gemacht hat. Ich halte das für schwierig, weil wir den Muskel, den wir jahrelang trainiert haben, nutzen sollten. Der ist ja ein Asset für uns. Aber wenn ich diesen Muskel kombiniere mit dem, was mich persönlich auszeichnet, wo ich meine Werte und etwas Sinnhaftes sehe, dann kann etwas Neues, Besseres herauskommen. Und dann gehe ich auch mit einer größeren Überzeugungskraft auf den Markt.
Es gibt viele, die sich als Coach selbständig machen wollen. Das ist viel zu abstrakt. Hier gilt es zu gucken, was sind denn deine echten Fähigkeiten, die du im Verein oder Freundeskreis oder auch im stillen Kämmerlein gelebt hast. Und diese solltest du mit den Assets aus deinem Lebenslauf kombinieren.
Gibt es denn eine Gründungsgeschichte eines Mannes Ü50, die dich beeindruckt hat?
Ja, die gibt es und die hat mich beeindruckt, weil das ein Mann nicht nur Ü50, sondern Ü80 war. Das war sein sehr erfahrener Kardiologie-Professor, der sich gemeinsam mit seiner Tochter mit einer Plattform zur Aufklärung zum Thema Schlaganfall selbständig gemacht hat.
Es gibt ja Menschen, die hervorragend für die Selbstständigkeit geeignet sind. Die haben Charaktereigenschaften, die man als Unternehmer braucht: Risikobereitschaft, Händchen für wirtschaftliche Kennzahlen, Eigenvermarktungsqualitäten. Wie kann man denn feststellen, ob man für die Selbstständigkeit geeignet ist. Oder ist das jeder?
Nein, das ist nicht jeder. Ich würde zunächst unterscheiden, ob man sich mit einem Start-up selbständig macht, was ganz andere Risiken birgt, als wenn man seine Kernkompetenzen als Selbständiger vermarktet. Im zweiten Fall brauchen Gründer keine große Investition. Denn das, was sie als Asset, als Anlage haben, ist in ihren Köpfen und in ihren Herzen.
Ich denke mal, jeder hat einen PC oder Laptop, ein Handy und mehr braucht man nicht. Vielleicht noch einen Aktenordner, um seine Belege einzusortieren. Und dann sollte man loslegen. Der entscheidende Punkt ist Zeit.
Jeder, den das Thema Selbständigkeit 50plus interessiert, kann bei mir ein halbstündiges Gratisgespräch buchen. In diesem Gespräch stelle ich dir ein paar Fragen, um herauszufinden, was deine Situation ist, wo dein Ziel liegt usw. Ich kann innerhalb von fünf Minuten heraushören, ob jemand für die Selbständigkeit geeignet ist oder nicht. Und ich sage das dann auch ehrlich. Im Endeffekt achte ich auf zwei Worte: ja, aber. Und dann kommt ein Gegenargument, weshalb irgendetwas nicht funktioniert.
Das kann man einmal machen. Das kann man auch zweimal machen. Es gibt Menschen, die machen das in einem halbstündigen Gespräch fünf, sechs, zehn Mal. Die finden in jeder Suppe, die dasteht, ihr Haar.
Sie sehen ein Risiko, sie sehen Probleme, sie sind eher verhaftet mit dem, was nicht geht, und analysieren, ob das gehen könnte, als sich rein auf die Chancen zu fokussieren Ein Unternehmer, ein Selbstständiger muss positiv sein. Der muss Chancen wittern, sie erkennen und sie wahrnehmen. Nur dann öffnen sich die Türen.
Wie lange dauert denn eine Gründung durchschnittlich, vom Entschluss, ein eigenes Business aufzubauen, bis zum Start?
Der Gründungsprozess dauert zehn Minuten. Das ist eine Gewerbeanmeldung oder eine Mitteilung an das Finanzamt. Gründen kann also jeder innerhalb von Minuten und es ist eine Mär, dass man dafür lange Zeit braucht. Ich würde auch jedem raten, es klein und überschaubar zu machen, und nicht lange über irgendwelche Rechtsformen nachzudenken. Das braucht man alles nicht.
Gegründet ist schnell auf dem Papier, aber du brauchst ja einen Businessplan, vielleicht eine Finanzierung…
Ich mache nie Businesspläne. In 15 Jahren habe ich keinen einzigen Businessplan gemacht. Wie gesagt, ich rede nicht über Leute, die eine investitionsschwere Gründung starten wollen. Bei mir geht es um die Vermarktung des eigenen Know-how-Schatzes.
Ich kann jedem helfen, in drei Tagen von der nicht vorhandenen Geschäftsidee zum fertigen Geschäft zu kommen. Erster Schritt ist das Schärfen der Geschäftsidee, genannt auch Trüffelsuche. Die dauert um die vier Stunden.
Danach geht es darum, aus diesem gefundenen Trüffel ein attraktives erstes Gericht zu kochen, das heißt, ein schmackhaftes Angebot zu entwickeln. Da habe ich meine strukturierte Vorgehensphase: Ich habe einen Angebotsplaner, mit dem ich jedes wissensbasierte Geschäft auf einer einzigen DIN-A4-Seite darstellen, den angemessenen Preis finden, das Selbstbewusstsein im Verkauf stärken und auch die Motivationsfaktoren der zukünftigen Käufer finden kann. Aus dem One-Pager entwickeln wir dann die Texte für das Angebot, die Webseite und das LinkedIn-Profil.
In den meisten Fällen weite ich die Beratung auf drei Monate aus, denn viele wollen sich die Gründung nochmal überlegen. Drei Tage sind also möglich, das ist das schnellste. Ein guter Zeitraum, um alles zu organisieren, sind drei Monate.
Du hast mit 1:1-Coaching gestartet, wo man schnell vorwärtskommt. Du hast aber auch in deinem Gründungszentrum 50plus Angebote für Gründer in einer Gruppe. Für welchen Typ von Gründer ist denn was das Geeignetste? Sollte man immer mit einem 1:1 starten oder gibt es Menschen, die gerne in einer Gruppe ihre Ideen weiterentwickeln, dort Inspiration bekommen?
Am besten ist eine Kombination aus beidem. Gerade wenn man sich schon lange im Kreis dreht oder auf der Stelle tritt, hilft der Blick von außen und eine Einzelberatung macht Sinn. Auch die inneren Blockaden zu lösen und Hürden zu überwinden, kann man im Einzelgespräch wunderbar adressieren.
Ich habe das Gründungszentrum Ende 2021 ins Leben gerufen, weil ich gemerkt habe, dass in Gruppenworkshops eine ganz andere Dynamik entsteht. Hier treffen Personen zusammen, die alle einen gehörigen Sack Lebenserfahrung haben, sich gegenseitig pushen und Kontakte mitbringen.
Was ist denn die größte Challenge für die Gründer, wenn sie zu dir kommen?
Die größte Frage und die größte Challenge für Gründer ist: Wo kriege ich meinen ersten Auftrag her oder wo kriege ich überhaupt einen Auftrag her? Das ist für viele schwierig. Warum? Weil sie in ihrem ehemaligen Job keinen Vertrieb gelernt haben und sich selbst als vertriebsschwach sehen.
Viele sind gut im Verkauf von Produkten, aber nicht ganz so gut, wenn es darum geht, sich selber zu verkaufen. Bei uns im Gründungszentrum bieten wir ein Verkaufstraining an, also einen Verkaufsleitfaden, den ich mit meinen Gründern durchgehe und übe. Aber häufig langt das nicht und ich helfe den Gründern dann, Aufträge zu gewinnen. Denn als Gründungszentrum 50plus spreche ich Unternehmen an und sage: Ihr Unternehmen findet keine Mitarbeiter und ihr braucht Know-how, um Herausforderungen zu lösen. Und ihr braucht einen langjährigen Erfahrungsschatz, um das zu schaffen.
Dann kriegen die Unternehmen von mir eine Präsentation mit Spezialisten in ihrem Kerngebiet, zum Beispiel Einkäufer oder Personen, die sich mit Klimaneutralität auskennen, oder Vertriebsexperten. Wir helfen den Gründern darin, mit ihrer Nische professionell sichtbar zu werden.
Unternehmen suchen sehr häufig gerade diese Kernkompetenzen, aber kleine Unternehmen können sich kein 100.000-Euro-Gehalt leisten und sind mehr als glücklich, wenn sie Fachwissen projektweise einkaufen können. Bei uns kommen spannende Aufträge rein, die der einzelne Gründer nicht finden würde.
Titelfoto von Adeolu Eletu auf Unsplash
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#4 Episode
Sich selbständig machen mit Ü50
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