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Männer in den Wechseljahren – das gibt`s?

Beim Thema Gesundheit ducken wir Männer uns gern weg, besonders wenn es um Männergesundheit im engeren Sinne geht. PD Dr. Tobias Jäger von der Urologischen Praxisklinik Essen, selbst in der Lebensmitte, erläutert die körperlichen Veränderungen und warum sich der jährliche Kurzbesuch beim Urologen lohnt.

Herr Dr. Jäger, bevor wir uns näher anschauen, was denn im Körper des mittelalten Mannes so alles abgeht, interessiert mich die ein oder andere kuriose Geschichte, die Sie in Ihrer Praxisklinik tagtäglich erleben oder mal erlebt haben. Gibt es denn da eine?

Ja, was jeden Tag vorkommt, ist Folgendes. Ich frage jeden Mann, der zu mir kommt: Warum kommen Sie denn in die Praxis? Gerade bei den Vorsorgepatienten lohnt sich die Frage durchaus. Und ganz häufig kommt die Antwort: Weil meine Frau mich schickt. Das heißt, dass man zu so einem Format wie Ihrem Podcast immer auch die Frauen herzlich einladen muss zuzuhören, denn das sind offensichtlich die Gesundheitsministerinnen der Familie.

Ja, das habe ich auch schon mal gehört. Aber es ist interessant, dass die Männer das ganz freimütig bei Ihnen angeben. Das finde ich klasse. Apropos Frauen: Da sind wir auch schon direkt im Thema. Dass Frauen in die Wechseljahre kommen, ist ja bekannt und die Symptome sind auch hinlänglich gut beschrieben: Frauen haben Hitzewallungen und Schweißausbrüche, sie leiden unter Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen, sind leicht reizbar und und und. Man kann den Eindruck haben, die Wechseljahre der Frau gleichen einer Achterbahnfahrt. Beim Mann verändert sich Körper in der Lebensmitte natürlich auch, aber wir bekommen davon nicht allzu viel mit, oder? Kommen wir Männer überhaupt in die Wechseljahre?

Der Verlauf ist bei den Männern etwas anders. Die Symptome, die Sie gerade aufgezählt haben, sind fast identisch. Nur bei Männern treten diese Symptome nicht innerhalb von wenigen Monaten oder wenigen Jahren auf. Bei den Männern ist es eher ein schleichender Prozess, sodass er häufig mit dem natürlichen Alterungsprozess verwechselt wird, obwohl auch ein Hormonmangel, in diesem Fall ein Testosteronmangel, hinter einer Symptomatik stecken kann.

So ab dem 35., 40. Lebensjahr verändert sich die natürliche Hormonfreisetzung beim männlichen Geschlecht, aber sehr langsam. So kann es über viele Jahre zu einem schleichenden Hormonmangel mit einer entsprechenden Symptomatik kommen.

Die Testosteronkonzentration sinkt also so wie im Sinkflug. Was bekommt denn der Mann von seiner Hormonumstellung aktiv mit? Oder geht das irgendwie an ihm vorbei?

Häufig sind es erstmal sehr unspezifische Dinge. Die Hormonumstellung kann mal eine gewisse Müdigkeit, eine Abgeschlagenheit herbeiführen. Wenn man die Symptomatik mit anderen Krankheitsbildern vergleicht, dann entspricht das Anfangsstadium im Grunde den gleichen Symptomen, die auch bei einem Burnout-Syndrom auftreten können. Darunter auch Schlafstörungen, Abgeschlagenheit und eine geringere Leistungsfähigkeit. Die körperlichen Symptome treten etwas später auf. Es kommt zu einer anderen Fettverteilung im Körper. Es kann sein, dass das Körperfett zu- und die Muskelmasse abnimmt. Dann geht’s auch in den internistischen Bereich: Der Cholesterin- und der Blutzuckerspiegel verändern sich. Das sind dann eher Dinge, die im höheren Lebensalter bei vielen Männern identifiziert werden und nur sehr selten mit einem Testosteronmangel in Zusammenhang gebracht werden.

Das heißt, wenn ein Mann mit Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen zu Ihnen kommt, dann kann das der Beginn der Wechseljahre sein… Oder er wird vom Psychiater zu Ihnen geschickt?

Das ist genau die Schwierigkeit, die Sie ansprechen. Häufig wird das eben auch von den medizinischen Fachkollegen gar nicht mit einem möglichen Testosteronmangel in Zusammenhang gebracht. Dann geht ein Mann zu seinem Internisten, und der Internist findet beispielsweise einen latent erhöhten Blutzuckerspiegel oder veränderte Cholesterinwerte. Oder der Mann entwickelt eine Abgeschlagenheit und sitzt beim Psychotherapeuten und am Ende wird ein Burnout-Syndrom diagnostiziert. Mir ist ganz wichtig, die Männer zu motivieren, zumindest an das Thema Testosteronmangel zu denken.

Es muss natürlich kein Testosteronmangel sein. Es gibt sicher genügend Männer, die durch ihre private oder berufliche Situation wirklich sehr angespannt sind und am Ende ein Burnout entwickeln. Aber wenn eine derartige Symptomatik auftritt, dann sollte es nicht zu viel verlangt sein von den ärztlichen Fachkollegen, einmal zumindest eine Testosteronmessung zu veranlassen und dieses Thema damit abzuarbeiten.

Wir können uns ja gleich auf die einzelnen Symptome der männlichen Wechseljahre stürzen und schauen, wie man sie behandeln kann. Aber ich habe eine ganz grundsätzliche Frage. Sie haben ja jetzt schon öfter das Testosteron erwähnt. Macht es Sinn, dieses abnehmende Hormon zu substituieren, also künstlich von außen zuzuführen, um den Alterungsprozess zu verzögern? Und wenn ja, wann?

Wenn man den Alterungsprozess mit den Erkrankungen, die mit steigendem Lebensalter statistisch gehäuft auftreten, gleichsetzt, dann macht es sicher Sinn. Testosteron sollte man aber nicht einfach zuführen, um einen Jungbrunnen zu entwickeln, sondern es geht bei der Testosteronsubstitution, also bei der Zuführung von außen, wirklich um eine medizinische Indikation. Darum wird eine Testosterontherapie bei nachgewiesenem Mangel von den Krankenkassen bezahlt, weil es eine anerkannte Erkrankung ist. Und dann macht es Sinn, weil man damit sehr viele Dinge im männlichen Organismus positiv beeinflussen kann oder umgekehrt formuliert: Die negativen Folgeerscheinungen der testosteronmangelbedingten Erkrankungen reduzieren oder verhindern kann.

Wie viele Männer betrifft so ein behandlungswürdiger Testosteronmangel?

Man geht davon aus, dass unter dem symptomatischen Hypogonadismus, wie er im Fachjargon genannt wird, etwa 3 bis 5 Prozent aller Männer leiden. Und das ist schon eine ganze Zahl. Wenn man dann überlegt, wie viele einen Diabetes Mellitus, also eine Zuckerkrankheit, entwickeln und begleitend dazu einen Testosteronmangel haben, dann sind das schon wirklich viele Männer, die von der Diagnosestellung und Therapie auch im Bereich ihrer übrigen Stoffwechselerkrankungen sehr, sehr profitieren würden.

Was viele wahrscheinlich auch nicht wissen: Der Lebensstil hat ja auch Einfluss auf den Hormonstatus, also darauf, ob ich mehr oder weniger Testosteron habe.

Ganz gewaltig! Wir sind da im Bereich der üblichen Volkserkrankung Bewegungsmangel mit einer Ernährung, die den Verbrauch übersteigt, sodass sich Fettgewebe am Körper anlagert.

Die Adipositas nimmt auch in unseren Breiten erhebliche Formen an. Jedes Gramm Körperfett wandelt Testosteron um. Das Fettgewebe enthält ein Enzym, das Testosteron abbaut und in Östrogen, also in weibliches Geschlechtshormon, umwandelt. Und die Männer, die das betrifft, sind dann tatsächlich in einem Teufelskreis. So darf man das wirklich nennen. Denn wenn der Testosteronspiegel einmal niedrig ist, dann bremst der Testosteronmangel den Stoffwechsel. Und die Fettverbrennung wird weiter reduziert, sodass es immer schwieriger wird, die überschüssigen Kilos wieder loszuwerden.

Dem kann man natürlich von vornherein entgegenwirken, indem man sich sportlich fit hält. Man muss nicht Hochleistungssportler sein, aber zumindest alltägliche Dinge körperlich erbringen. Da ist mein Beispiel immer, den Mähroboter aus dem Garten verbannen und wieder den Handmäher nehmen. Oder am Aufzug vorbeigehen und die Treppen steigen. Das kann jeder mit einem relativ leichten Aufwand im Alltag umsetzen und einem drohenden Testosteronmangel mit all seinen Folgen entgegenwirken.

PD Dr. Tobias Jäger (Foto: privat)
Schauen wir mal auf die einzelnen Symptome, die der ein oder andere Mann in den mittleren Jahren beklagt. Für mich die Nummer eins ist das Thema Haarausfall. Ich habe einen Spiegel im Bad, mit dem ich auch die hinteren Haare anschauen kann und denke mir immer: Wird diese kahle Stelle da oben nicht doch zu einer Pläte? Was kann man gegen den Haarausfall machen? Oder ist alles, was man da macht, nur kosmetischer Art?

Manche Männer haben eine besondere Bindung zu ihrem Haarwuchs und dementsprechend kann dadurch schon ein psychischer Leidensdruck entstehen. Meistens handelt es sich aber, wenn man seine Vorfahren anguckt, die Väter, die Großväter, um eine erblich bedingte Geschichte.

Das heißt, der individuelle Hormonhaushalt hat damit gar nicht viel zu tun. Und selbst wenn ein Testosteronmangel hinter einem Haarausfall stecken sollte, ist es ganz schwierig, eine Behandlung einzuleiten. Denn eine Testosteron-Therapie, also von außen zugeführtes Testosteron, verschlechtert eher die Symptomatik, was den Haarwuchs auf dem Kopf angeht. Die Körperbehaarung nimmt durch eine Testosterontherapie zu, aber der Haarwuchs auf dem Kopf leider nicht.

Das ist alles, was wir nicht so wirklich haben wollen. Okay, das muss man vielleicht akzeptieren.

Ja, da muss ich Sie enttäuschen.

Symptom Nummer zwei: Sie haben es auch schon angesprochen, die typischen Fettverteilungsänderungen. Am Bauch nimmt das Fett zu, der Po wird immer kleiner und die Beine werden dünner. Ist dagegen ein Kraut gewachsen – außer natürlich Sport und Bewegung?

Natürlich sollten Sport und Bewegung im Mittelpunkt stehen und das Potenzial ausgeschöpft werden, vor jeder Arzneimitteltherapie.

Aber letztendlich kann das schon ein Hinweis auf einen Testosteronmangel sein, weil die Fettverbrennung sehr gebremst wird, sodass das, was man an Nahrungsmitteln zu sich nimmt, schneller in Fettgewebe umgewandelt und nicht mehr verbraucht wird.

Das Testosteron ist sozusagen der Schlüssel an der Muskulatur, um die Energieträger in den Muskelstoffwechsel einzuschleusen. Das bedeutet, dass, wenn genügend Testosteron da ist, die Energie auch in die Muskulatur aufgenommen wird und zu einem Erhalt der Muskelmasse oder sogar zu einem Aufbau der Muskelmasse führen kann. Fehlt das Testosteron hingegen, ist dieses Schloss zu. Die Energieträger können nicht mehr verbraucht werden, bleiben aber trotzdem im Körper und werden in Fettgewebe umgewandelt und gleichzeitig nimmt die Muskulatur ab, weil der Muskel nicht mehr so wie in jüngeren Jahren mit Energieträgern versorgt wird.

Auch Muskeltraining ist ein großer Schlüssel, höre ich heraus.

Absolut. Auch umgekehrt ist der Muskelstoffwechsel in die Testosteronproduktion eingebunden. Das heißt, dass ein Krafttraining durchaus geeignet ist, den Testosteronspiegel aufrechtzuerhalten und einen beginnenden Mangel auszugleichen.

Sehr gut. Symptom Nummer drei: Man muss nachts das eine oder andere Mal auf die Toilette, um Wasser zu lassen. Es gibt hier Werbung für Kürbiskernprodukte und andere Geschichten. Machen diese Sinn oder sollten wir Männer einfach akzeptieren, dass man nachts mal raus muss?

Diese nächtlichen Toilettengänge hängen natürlich auch vom Trinkverhalten ab. Gerade die, die beruflich eingebunden und vielleicht im Außendienst tätig sind, also viel unterwegs sind, schaffen es tagsüber nicht, ausreichend zu trinken. Das wird dann nach Feierabend ab 16, 17 oder 18 Uhr nachgeholt. Alles, was man in den Abendstunden trinkt, sucht sich über die Nacht seinen Weg in die Blase und dann muss man nachts alleine durchs Trinkverhalten ab und an zur Toilette.

Ansonsten ist der nächtliche Harndrang mit steigendem Lebensalter häufig ein Symptom für eine beginnende Prostata-Vergrößerung. Und die ist durchaus behandelbar. Sie ist zwar weniger Testosteron-abhängig, aber man hat in der Urologie schon gute Möglichkeiten, was zu tun.

Das auseinanderzuhalten ist relativ einfach: Wenn die Portionen in der Nacht sehr klein sind, man also wach wird durch einen starken Harndrang und zur Toilette geht und dann schon fast enttäuscht ist, weil nur so ein halbes Wasserglas herauskommt, dann wäre es ein Symptom, ein Hinweis für eine beginnende Prostataveränderung. Bringt man hingegen 400, 500 Milliliter zur Toilette, dann ist die Blase durch das Trinkverhalten gefüllt und muss auch entleert werden, weil es sonst irgendwann ins Bett ginge, wenn man nicht wach würde.

Das heißt, eine Strategie wäre: Lieber tagsüber mehr trinken, abends nicht mehr so viel und dann eben beobachten, wie viel rauskommt. Ist es noch einigermaßen viel, dann ist alles im Lot.

Genau.

Symptom Nummer vier. Wenn wir Männer schon wenig über unsere körperlichen Veränderungen reden, darüber reden wir ganz sicher am allerwenigsten, nämlich weniger Lust auf Sex, im Fachjargon nachlassende Libido, bis hin zu Erektionsstörungen. Wie viel Männer betrifft das Thema überhaupt?

Bei den Erektionsstörungen kann man das sehr gut am Lebensalter festmachen. In jüngeren Jahren sind das typischerweise nicht besonders viele. Sollte ein 18-jähriger wirklich eine massive Erektionsstörung haben und auch in jüngeren Jahren noch nie ausreichende Erektionen entwickelt haben, dann sollte man sicher auf die Suche nach allen möglichen Erkrankungen gehen. Das können neurologische Erkrankungen sein, das können Gefäßveränderungen oder auch Stoffwechselveränderungen sein.

Mit steigendem Lebensalter nimmt der Anteil deutlich zu. Bei den 50-jährigen sind 40 bis 50 Prozent davon betroffen, mal eine leichte Erektionsschwäche zu entwickeln. Bei den 80-jährigen sind es tatsächlich auch 70 bis 80 Prozent. Eine Erektionsstörung kann natürlich auch im Zusammenhang mit dem männlichen Hormonhaushalt, also mit dem Testosteron, stehen. Die Libido verändert sich deutlich früher. Eine Erektionsstörung tritt bei einem sehr massiven Testosteronmangel auf. Während weichere Symptome wie Lustlosigkeit und Libidomangel schon bei leichten Testosteronschwächen auftreten können.

Foto von Foto von National Cancer Institute auf Unsplash
Das heißt, das ist physiologisch normal. Bei der Frau ist es ja auch nicht anders. Bei ihr nimmt die Libido in der Regel auch ab. Das kann man vielleicht bis zu einem gewissen Grad akzeptieren?

Ja, ein Stück weit ist das normaler Alterungsprozess. Natürlich hat ein 80-jähriger nicht mehr die Lust und häufig auch nicht mehr das körperliche Vermögen, sich sexuell so zu verausgaben wie in jüngeren Jahren.

Bei Frauen fällt mit den Wechseljahren das Östrogen, wie wir vorhin schon gesagt haben, drastisch, und dadurch verändert sich natürlich auch die Fruchtbarkeit massiv.

Das ist bei Männern nicht so. Es gibt ja A-, B- und C-Prominente, die es hingekriegt haben, sich auch im höheren Lebensalter fortzupflanzen. Es gibt also keine Altersklasse, bei der man sagt, ab jetzt ist der Mann unfruchtbar. Aber Gefäßveränderungen oder auch Medikamente gegen hohen Blutdruck sorgen in vielen Fällen dafür, dass die Potenz, in dem Fall die Erektion, deutlich nachlassen kann.

Vor vielen Jahren gab es einen Hype, als Tabletten gegen erektile Dysfunktion, so der Fachjargon, auf den Markt kamen. War das nur ein Hype, der jetzt abgeebbt ist, oder hat sich das zu einer Standardtherapie entwickelt?

Das hat sich zu einer Standardtherapie entwickelt. Das darf man wirklich so sagen. Es gibt ja auch zur Behandlung der Erektionsstörungen medizinische Leitlinien. Leitlinien sind nicht verbindlich für die Ärzte, aber schon eine deutliche Empfehlung. Und da stehen die medikamentösen Therapieoptionen mit großem Abstand auf Platz eins.

Natürlich kriegt jeder von uns nahezu täglich Spam-Mails von Anbietern aus dem Internet, die über irgendwelche Quellen solche Präparate anbieten. Aber wenn man sich an einen Arzt wendet und schaut, welche möglichen Ursachen hinter der Erektionsstörung stecken, dann ist das eine Therapie, die heutzutage sehr, sehr häufig verordnet wird.

Das ist eine sehr sichere Therapie. Man muss ein, zwei Dinge beachten, beispielsweise darf man diese Medikamente nicht bei einer schweren Herzinsuffizienz einsetzen, aber das ist auch eines der wenigen Gegenargumente. Bei den meisten anderen Begleiterkrankungen kann man die Medikamente einsetzen, bei einer guten Verträglichkeit und auch einer guten Wirksamkeit.

Sie haben jetzt viele Fragen beantwortet, aber sicher nicht alle, die unsere Zuhörer haben. Weitere Fragen kann und soll der eigene Urologe beantworten. Wir Männer wissen natürlich, dass wir auch ab einem gewissen Alter zur Vorsorge gehen sollten. Ab wann sollte ein Mann regelmäßig seinen Urologen sehen?

Da gibt es eine klare Empfehlung, auch von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Ab dem 45. Lebensjahr sollten Männer einmal im Jahr zur urologischen Vorsorge gehen. Das liegt in erster Linie daran, dass der Prostatakrebs mit großem Abstand der häufigste Tumor bei Männern ist. Mit etwas über 60.000 Neuerkrankungen jedes Jahr alleine in Deutschland macht der Prostatakrebs mehr aus als die beiden Tumorerkrankungen auf den Plätzen 2 und 3 der Statistik zusammengerechnet, also mehr als Lungentumore und Darmkrebs zusammen.

Die Krebsvorsorge hat den Hintergrund, dass Prostatakrebs der typische Krebs des älteren Mannes ist. Bei Männern unter 45 kommt diese Erkrankung statistisch so gut wie gar nicht vor. Ab dem 45. Lebensjahr verlässt die statistische Linie langsam die Null-Gerade, sodass dann die Vorsorge einmal im Jahr auch Sinn macht.

Ich habe noch im Hinterkopf, dass der Prostatakrebs langsam wächst und die Prostata ein abgekapseltes Organ ist. Ist also alles nicht so schlimm. Ist das richtig?

Glücklicherweise trifft das in vielen Fällen zu. Der Prostatakrebs wird in der Laienpresse, aber auch in der Fachwelt immer mal wieder als Haustier des Mannes betrachtet oder bezeichnet, weil wir wissen, dass viele ältere Männer einen Prostatakrebs mit sich tragen, aber daran nicht wirklich erkranken und dann irgendwann ihre natürliche Lebenserwartung mit 80, 85 oder 90 Jahren erreicht haben und von diesem Prostatakrebs überhaupt nichts bemerkt haben.

Es wird immer wieder beim Thema Krebsfrüherkennung unterstellt, dass ein gewisses Risiko besteht, den Männern Überdiagnostik und Übertherapie anzubieten. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass wir jedes Jahr neben diesen 60.000 Neuerkrankungen 15.000 Todesfälle an Prostatakrebs haben, sodass man an der Zahl schon leicht erkennen kann, dass dieses einfache Argument „Prostatakrebs ist immer harmlos und man stirbt immer mit dem Prostatakrebs, aber nie an dem Prostatakrebs“ definitiv nichtzutreffend ist.

Wie fleißig nimmt denn unsere Gattung das Angebot der Vorsorge beim Urologen an?

Man kann pauschal sagen, jeder dritte Mann geht hin und zwei Drittel der Männer gehen nicht hin. Die Jüngeren nehmen die Vorsorge etwas weniger wahr. Mit steigendem Lebensalter scheint eine gewisse Altersweisheit aufzutreten, sodass die 60- bis 70-Jährigen etwas häufiger hingehen.

Das mag aber auch daran liegen, dass die 60-, 70-jährigen häufig an anderen Erkrankungen leiden und sowieso bei ihrem Hausarzt für die Verordnung beispielsweise ihrer Blutdruckpräparate sind und der Hausarzt dann sagt: Wenn Du sowieso da bist, dann machen wir auch eben die Krebsfrüherkennungsuntersuchung mit, sodass die Statistik dadurch vielleicht etwas verfälscht ist.

30 Prozent, das klingt nicht weltbewegend. Sieht es bei Frauen bezüglich Vorsorge anders aus?

Bei Frauen ist es genau umgekehrt. Da geht der größere Teil hin, 70 bis 80 Prozent nehmen die Vorsorge wahr und nur ein sehr kleiner Teil nimmt die Angebote nicht wahr.

Also Asche auf unser Haupt. Lieber Mann, wenn Du das jetzt hörst: Wir sollten alle daran arbeiten, diese Zahlen zu ändern und zwar in unserem ureigenen Interesse. Die Vorsorgeuntersuchungen sind ja auch kein Drama. Welche Untersuchungen nimmt denn der Urologe klassisch bei der Vorsorge vor?

Die berühmteste und leider auch berüchtigtste Untersuchung ist immer noch diese kleine Hafenrundfahrt, also die Abtastung der Prostata vom Po aus. Und das scheint auch wirklich nach wie vor ein abschreckender Faktor für die Männer zu sein. Dazu gibt es gute Befragungen, die als Fazit die Information geliefert haben, dass Männer genau wegen dieser Untersuchung die Vorsorge leider immer noch in vielen Fällen meiden.

Da muss ich kurz in meine eigene Geschichte reingehen. Als ich zum ersten Mal beim Urologen war, hat er irgendwann zu mir gesagt, ich möge mich doch bitte entspannen. Er hätte gern seinen Finger wieder. Ich war da maximal unentspannt. Aber ich kann Dir, lieber Mann, sagen: Das ist Routine und geht super schnell. Ich glaube, ich brauche keine zehn Minuten, bis die ganze Untersuchung abgeschlossen ist. Und zwar inklusive einer weiteren Leistung. Es gibt ja die sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen, die die Kassen nicht übernehmen, die man aber selber privat übernehmen kann. Da gibt es eine Leistung, die sich beim Urologen lohnt, oder?

In jedem Fall. Sie sprechen einen Wert an, den man über die Blutbahn ermitteln kann, den sogenannten PSA-Wert. Diese Abkürzung steht für prostataspezifisches Antigen. Das ist ein Eiweißmolekül, das von der Prostata in einer gewissen Konzentration gebildet wird. Auch jeder kerngesunde Mann hat eine gewisse PSA-Konzentration in der Blutbahn.

Prostatakarzinome produzieren dieses Eiweiß aber deutlich mehr. Wenn man sich ab dem 45. Lebensjahr tatsächlich zur Vorsorge entscheiden sollte, dann nimmt man diesen Wert im Idealfall ab und hat damit eine Basisbestimmung. Und diesen Wert vergleicht man dann über die Jahre.

Man muss diese individuelle Gesundheitsleistung heutzutage nicht mehr jedes Jahr machen. Das kostet ja auch ein bisschen Geld, je nach Praxis zwischen 25 und 40 Euro. Wenn der Wert sehr, sehr gut ist, heißt auf einem sehr niedrigen Niveau ist, dann reicht es, ihn alle zwei, drei Jahre zu ermitteln, um über die Jahre eine Messreihe zusammenzubekommen.

Das ist wirklich was sehr Aussagekräftiges. Der Wert steigt in vielen Fällen durch eine gutartige Prostataveränderung, durch ein leichtes Wachstum der Prostata, sehr langsam über viele Jahre an. Nur wenn der Wert plötzlich anfängt, eine steilere Kurve aufzunehmen, muss man genauer hingucken. Das muss nicht bedeuten, dass dahinter tatsächlich ein Prostatakarzinom steckt. Auch Reizungen, Entzündungen der Prostata können diesen Wert mal erhöhen oder auch wenn man am Wochenende vor der Früherkennungsuntersuchung lange auf dem Rad gesessen hat. Durch die Kompression der Prostata vom Damm aus kann dieses Eiweißmolekül freigesetzt werden und ist dann für einige Tage in einer erhöhten Konzentration messbar. Aber das sind alles Dinge, die der versierte Urologe gut berücksichtigen kann, ohne den Fehler zu machen, sofort nervös zu werden und weitere Maßnahmen einzuleiten.

Sehr gut. Vielen Dank, Herr Dr. Jäger, für die Beantwortung dieser Fragen, auch der ein oder anderen peinlichen Frage, die wir wahrscheinlich so uns nicht trauen würden zu stellen, wenn es nicht gerade hier wäre. Viele Antworten finden sich auch auf Ihrer Website zum Thema Männergesundheit unter www.maennerarzt.com.

Titelfoto von Diana Polekhina auf Unsplash

#5
Männer in den Wechseljahren – das gibt`s?

Mit der medizinischen Vorsorge haben wir Männer es nicht so. Erst recht, wenn es um den Besuch beim Urologen geht. Deshalb schicken auch meist die Frauen ihre Männer zum Arzt.

Warum sich der jährliche Gang zum Urologen lohnt, darüber spreche ich in der Episode mit PD Dr. Tobias Jäger von der Urologischen Praxisklinik Essen. Der Männerarzt geht auch auf häufige Fragen zur Veränderung des Körpers in der Lebensmitte ein.

Interessante Links:

Website zum Thema Männergesundheit: www.maennerarzt.com

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